Warum jeder Betrieb eine Fachkraft für Arbeitssicherheit braucht – und was sie wirklich tut

Warum jeder Betrieb eine Fachkraft für Arbeitssicherheit braucht – und was sie wirklich tut

Der Gabelstapler fährt rückwärts. Der Fahrer hat Kopfhörer auf. Und die neue Praktikantin läuft genau in seinen toten Winkel. 3,7 Sekunden später hätte es einen Arbeitsunfall gegeben – wäre da nicht diese eine Person gewesen, die vor drei Monaten die Bodenmarkierungen neu geplant und den Spiegel am Gabelstapler montiert hat. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit.

So sieht sie aus, die unsichtbare Arbeit derjenigen, die dafür sorgen, dass du abends gesund nach Hause kommst. Ohne Drama, ohne Schlagzeilen – einfach, weil jemand mitgedacht hat.

Was ist eine Fachkraft für Arbeitssicherheit eigentlich?

Fangen wir mal ganz vorne an. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit ist nicht einfach jemand, der sich für Sicherheit interessiert. Das ist eine richtige Berufsbezeichnung mit handfesten rechtlichen Grundlagen. Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) von 1973 – ja, schon so alt – regelt ganz klar: Ab einer bestimmten Betriebsgröße MUSS ein Unternehmen eine Fachkraft bestellen. Das Arbeitssicherheitsgesetz verpflichtet Arbeitgeber zur BesFachkraft für Arbeitssicherheit; Umfang und Aufgaben leiten sich aus den betrieblichen Verhältnissen nach § 5 und § 6 ab.” – vgl. Arbeitssicherheitsgesetz.

Keine Kann-Bestimmung. Kein “wäre schön, wenn”. Sondern Pflicht.

Aber ehrlich gesagt… die meisten Leute haben keine Ahnung, was diese Person den ganzen Tag macht. “Ach, die mit dem Helm, die uns immer sagt, wo wir nicht parken dürfen?” Naja. So ungefähr, aber das ist wie zu sagen, ein Arzt sei jemand, der Pflaster klebt.

Die rechtliche Basis: Warum das Ganze keine Willkür ist

Das ASiG ist ziemlich eindeutig. Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten brauchen eine Fachkraft für Arbeitssicherheit. Punkt. Bei kleineren Betrieben gibt’s Alternativen – zum Beispiel über die Berufsgenossenschaft. Aber der Grundgedanke bleibt: Arbeitssicherheit ist kein Nice-to-have.

Die Berufsgenossenschaften haben das begriffen. Die DGUV Vorschrift 2 konkretisiert das nochmal richtig detailliert. Wie viele Einsatzstunden nötig sind, welche Qualifikation die Person haben muss – alles geregelt. Fast schon pingelig geregelt, würde ich sagen.

Warum dieser ganze Aufwand? Weil Arbeitsunfälle teuer sind. Richtig teuer. Und vermeidbar.

Was macht so eine Fachkraft für Arbeitssicherheit den ganzen Tag?

Okay, jetzt wird’s interessant. Die Aufgaben einer Fachkraft für Arbeitssicherheit sind weitaus vielfältiger, als die meisten denken.

Gefährdungsbeurteilung – der Blick für das Unsichtbare

Das Herzstück der Arbeit: Gefährdungsbeurteilungen. Klingt trocken, ist aber wie Detektivarbeit. Die Fachkraft läuft durch den Betrieb und sieht Dinge, die andere übersehen. Die rutschige Stelle am Boden, die noch niemand bemerkt hat. Die Maschine, die seit Wochen komische Geräusche macht. Den Arbeitsplatz, der ergonomisch eine Katastrophe ist.

Mir ist mal aufgefallen – ich stehe morgens immer an der gleichen Bushaltestelle. Jeden Tag die gleichen Leute, die gleichen Abläufe. Aber erst nach Monaten hab ich gesehen, dass da eine Bordsteinkante richtig gefährlich abgebrochen ist. Man wird blind für das, was man täglich sieht. Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind dafür da, diesen blinden Fleck zu durchbrechen.

Sie dokumentieren systematisch alle möglichen Gefährdungen. Mechanische, chemische, biologische, psychische. Ja, auch Stress und Überforderung gehören dazu. Und dann – das ist der entscheidende Punkt – entwickeln sie Maßnahmen dagegen.

Sicherheitskonzepte und Betriebsanweisungen

Aus der Gefährdungsbeurteilung entstehen konkrete Sicherheitskonzepte. Nicht diese generischen “Bitte vorsichtig sein”-Schilder, sondern maßgeschneiderte Lösungen. Die Fachkraft überlegt: Wie können wir diese spezielle Gefahr in diesem speziellen Betrieb eliminieren oder zumindest minimieren?

Und dann kommen die Betriebsanweisungen. Die müssen verständlich sein – nicht in Juristendeutsch, sondern so, dass sie jeder kapiert. Auch der neue Azubi, auch die Zeitarbeitskraft, die nur für drei Wochen da ist.

Die vernetzte Schutzausrüstung für elektrotechnische Berufe zeigt übrigens schön, wie sich moderne Technologie in Sicherheitskonzepte integrieren lässt. Smartes Denken statt stumpfe Regeln.

Die Qualifikation: Was braucht man dafür?

Fachkraft für Arbeitssicherheit wird man nicht mal eben so. Das ist eine richtige Ausbildung – oder besser gesagt: eine Weiterbildung. Meistens bringen die Leute schon eine technische oder naturwissenschaftliche Grundausbildung mit. Ingenieure, Techniker, Meister.

Dann kommt die spezielle Ausbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit dazu. Das sind mehrere Stufen:

  • Grundausbildung (Stage I-III)
  • Vertiefungsausbildung nach zwei Jahren Praxis
  • Fortbildung alle drei Jahre

Klingt aufwändig? Ist es auch. Aber Arbeitssicherheit entwickelt sich ständig weiter. Neue Technologien, neue Gefährdungen, neue Erkenntnisse. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit muss da am Ball bleiben.

Das Zusammenspiel: Fachkraft, Betriebsarzt und Sicherheitsbeauftragte

Hier wird’s strategisch. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit arbeitet nie alleine. Das wäre auch gar nicht machbar.

Da ist der Betriebsarzt – der kümmert sich um die gesundheitlichen Aspekte. Vorsorgeuntersuchungen, arbeitsmedizinische Beratung, Wiedereingliederung nach Krankheit. Die Fachkraft und der Betriebsarzt ergänzen sich perfekt. Der eine denkt technisch, der andere medizinisch.

Und dann sind da die Sicherheitsbeauftragten. Das sind normale Mitarbeiter, die zusätzlich als Sicherheitsbeauftragte ausgebildet wurden. Sie sind das Bindeglied zur Belegschaft. Sie hören, was die Kollegen bewegt, wo der Schuh drückt.

KI-gestützte Gefahrenerkennung am Arbeitsplatz wird übrigens immer wichtiger in diesem Zusammenspiel. Technologie kann Muster erkennen, die dem menschlichen Auge entgehen.

Kontrolle ist gut – aber wie kontrolliert man richtig?

Die regelmäßigen Prüf- und Kontrollaufgaben sind ein wesentlicher Teil der Arbeit. Aber das ist nicht das kleinkarierte “Haha, erwischt!”-Denken. Sondern systematisches Überprüfen: Funktionieren unsere Sicherheitsmaßnahmen noch? Haben sich neue Gefährdungen entwickelt?

Begehungen, Unfalluntersuchungen, Auswertung von Beinaheunfällen. Besonders die Beinaheunfälle sind interessant. Da ist noch nichts passiert, aber es hätte passieren können. Diese Situationen zu analysieren ist Gold wert.

Automatisierte Überwachung von Arbeitszonen durch moderne Technologie macht vieles einfacher und präziser. Sensoren übersehen nichts, werden nicht müde und haben keine schlechten Tage.

Der Kulturwandel: Wenn Sicherheit zur DNA wird

Das Spannendste an der Arbeit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit ist vielleicht gar nicht das Technische. Sondern das Menschliche. Sie verändert die Unternehmenskultur.

In Betrieben mit einer guten Fachkraft merkst du das sofort. Die Leute denken anders über Sicherheit. Nicht als lästige Pflicht, sondern als Selbstverständlichkeit. “Safety First” ist nicht nur ein Spruch an der Wand, sondern wird gelebt.

Wie schaffen die das? Durch Kommunikation, Schulungen, Vorbildfunktion. Und durch Erfolg. Wenn die Unfallzahlen sinken, die Krankenstände zurückgehen, die Mitarbeiter zufriedener sind – dann überzeugt das auch die größten Skeptiker.

Branchenspezifische Anforderungen: Jeder Betrieb ist anders

Ein Bürobetrieb hat andere Sicherheitsanforderungen als eine Chemiefabrik. Eine Baustelle andere als ein Krankenhaus. Deswegen gibt es keine Einheitslösung für alle.

Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit muss die spezifischen Gefährdungen ihrer Branche kennen. In der Elektrotechnik sind das andere als in der Lebensmittelproduktion. Sicherheitssensoren in der Fertigungsindustrie spielen zum Beispiel eine völlig andere Rolle als im Dienstleistungssektor.

Manche Branchen haben zusätzliche Vorschriften. Explosionsschutz, Strahlenschutz, besondere Hygienevorschriften. Die Fachkraft muss das alles im Blick haben.

Erfolgsmessung: Woran erkennt man gute Arbeit?

Wie misst man eigentlich den Erfolg einer Fachkraft für Arbeitssicherheit? Klingt einfach – weniger Unfälle, weniger Krankentage. Aber so simpel ist es nicht.

Gute Präventionsarbeit verhindert Unfälle, die sonst passiert wären. Wie misst man etwas, das NICHT passiert ist? Schwierig.

Deswegen schauen Experten auf verschiedene Kennzahlen:

  • Unfallhäufigkeit und -schwere
  • Beinaheunfälle (sehr wichtig!)
  • Krankenstände
  • Mitarbeiterzufriedenheit bei Sicherheitsthemen
  • Anzahl und Qualität der Sicherheitsmaßnahmen

VR-Schulungen für sicherheitskritische Berufe bringen übrigens ganz neue Möglichkeiten der Erfolgsmessung. Man kann genau sehen, wie Mitarbeiter in Gefahrensituationen reagieren – ohne echtes Risiko.

Die Fachkraft als strategischer Partner

Moderne Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind längst nicht mehr nur Kontrolleure oder Regelverwalter. Sie sind strategische Partner der Geschäftsleitung.

Sie denken in Prozessen, in Kosten-Nutzen-Relationen, in Zukunftsszenarien. Sie fragen sich: Wie wird sich die Digitalisierung auf die Arbeitssicherheit auswirken? Welche neuen Gefährdungen bringen kollaborative Roboter in der Produktion mit sich?

Eine gute Fachkraft denkt nicht nur reaktiv (“Da ist was passiert, jetzt müssen wir reagieren”), sondern proaktiv (“Da könnte was passieren, lass uns vorbeugen”).

Die Zukunft der Arbeitssicherheit

Digitalisierung, KI, Industrie 4.0 – das alles verändert auch die Arbeitssicherheit. DSGVO-konforme KI-Telefonassistenten können bei Notfällen schneller reagieren als jeder Mensch.

Aber – und das ist wichtig – Technologie ersetzt nicht die menschliche Kompetenz. Sie ergänzt sie. Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit muss heute sowohl die klassischen Gefährdungen im Blick haben als auch die neuen, digitalen Risiken verstehen.

Psychische Belastungen nehmen zu. Homeoffice bringt neue Herausforderungen. Die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen. Alles Themen, mit denen sich moderne Fachkräfte beschäftigen müssen.

Warum sich die Investition lohnt

Kommen wir zum Geld. Ja, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit kostet. Gehalt, Weiterbildung, Zeit. Aber sie spart auch. Massiv.

Ein einziger schwerer Arbeitsunfall kann ein Unternehmen Hunderttausende Euro kosten. Direkte Kosten (Behandlung, Entschädigungen), indirekte Kosten (Produktionsausfall, Imageschäden, rechtliche Konsequenzen).

Gute Präventionsarbeit verhindert diese Kosten. Und sie bringt noch andere Vorteile: Zufriedenere Mitarbeiter, bessere Produktivität, geringere Fluktuation.

Der Blick nach vorn

Weißt du, was mich am meisten beeindruckt an guten Fachkräfte für Arbeitssicherheit? Sie denken immer einen Schritt weiter. Sie sehen nicht nur die Gefahr, die heute da ist, sondern auch die, die morgen entstehen könnte.

In einer Welt, die sich immer schneller verändert, ist das unbezahlbar. Neue Arbeitsformen, neue Technologien, neue Belastungen – all das braucht Menschen, die mitdenken, vorausdenken, umdenken.

Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit ist kein Kostenfaktor. Sie ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens. In die Gesundheit der Menschen, die dort arbeiten. In die Reputation, in die Produktivität, in die Nachhaltigkeit.

Und am Ende des Tages geht es um etwas ganz Einfaches: dass Menschen gesund nach Hause kommen. Jeden Tag. Das ist eigentlich nicht zu viel verlangt, oder?

Man könnte sagen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind die stillen Helden des Arbeitsalltags. Sie verhindern Tragödien, die nie Schlagzeilen machen werden. Weil sie gar nicht erst passieren.